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Um den eigenen Fonds an den Mann zu bringen, wird glatt gelogen

Sehr geehrte Wirtschaftsblatt-Redaktion! Ich habe ein Abo Ihrer Zeitung und eine Frage: Ich bin 70 Jahre alt und habe 30.000 € zu veranlagen. Meine Bank erklärt mir, mit Einzelaktien sei kein Geld zu machen, da sehr hohe Kosten anfallen. Aktienfonds seien besser, am besten sei der XY Österreich-Aktienfonds. Bitte um eine ehrliche Antwort, wie Sie das sehen. Vielen Dank im Voraus.“

Dieses Mail eines Lesers haben wir gestern im Posteingang vorgefunden und wollen es Ihnen nicht vorenthalten. In unserer Antwort haben wir den Verdacht geäußert, dass die beratende Bank „XY“ heißt, was der Leser dann auch postwendend bestätigte. Den ­Namen sparen wir hier bewusst aus, denn andere ­Institute sind um nichts besser: Nach wie vor wird in der Beratung viel Schindluder betrieben. Dass allein der eigene Fonds angepriesen wird, ist natürlich sehr bedenklich und unseriös, wenn auch angesichts der dem Berater winkenden Provisionen verständlich. Das gleiche gilt für die Tatsache, dass Fonds gegenüber Aktien generell als besser verkauft werden – verständlich, weil für die Bank lukrativer, aber eben höchst unseriös. Dass aber nicht einmal das, wenn auch scheinheilige, so doch zumindest ansatzweise richtige Pro-Fonds-Argu­ment der besseren Streuung, ins Treffen geführt wird, sondern stattdessen regelrecht gelogen wird, schlägt dem Fass den Boden aus. Aktien sind alles, nur nicht teurer als Fonds, bei denen ­Ausgabeaufschläge und Manage­mentge­büh­ren verrechnet werden.

Der Berater war also entweder bösartig oder inkompetent, wahrscheinlich beides. Traurig stimmt die Sache jedenfalls. Und zwar nicht nur für die zahlreichen Kunden, die den Banken tagtäglich auf den Leim gehen. Sondern auch für den Kapitalmarkt Österreich und damit unsere gesamte Volkswirtschaft. Laut Nationalbank-Statistiken entfallen nur rund drei Prozent des veranlagten Finanzvermögens der Österreicher auf „börsenotierte Aktien“, fast 50 Prozent sind hingegen Einlagen, 35 Prozent allein Spareinlagen – und die bescheren Herrn und Frau Österreicher derzeit abzüglich Inflation Verluste. Mit seiner Aktienquote spielt Österreich statt um die Champions League eher um den Afrika-Cup mit, der heimische Kapitalmarkt ist, gelinge gesagt, ausbaufähig. Gerade die Banken sollten als dessen Miteigentümer doch das größte Interesse haben, dass sich das ändert. Dies, zumal mit IPOs, Kapitalerhöhungen und Co. viel Geld zu verdienen ist. Dass sie es überhaupt notwendig haben, dem kleinen Mann über unseriöse Praktiken ein paar Zerquetschte abzuluchsen, ist ein Armutszeugnis.

 

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